Sprechende Wände

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Autor des Textes ist Peter Gayer. Es handelt sich um ein Kapitel aus seinem Buch „Rom – Ein sentimentaler Reiseführer“. Näheres über das Buch erfahren Sie auch auf meiner Bücher-Seite. – Vielen Dank für die Erlaubnis zur Veröffentlichung!

Sprechende Wände – Inschriften in Rom

Rom ist eine sehr laute Stadt. Ruhige Orte sind selten, überall wird man vom Krach der Autos oder Vespas belästigt. Doch in Rom gibt es noch eine andere Art von „Lärm“, der eigentlich gar nicht zu hören ist: Hier sprechen die Wände! Doch deren Stimmen sind leise und erfordern beim Passanten eine gewisse Sensibilität, die Botschaften auch wahrzunehmen.

Päpste

In einer ewigen Stadt wie Rom waren besonders die Päpste auf ihren eigenen Nachruhm bedacht. Denn sie bestiegen meist in hohem Alter den Thron, folglich blieb ihnen nur wenig Zeit, für ihr Andenken zu sorgen, eine dynastische Erbfolge war ja ausgeschlossen. Ein Papst, der etwas auf sich hielt, verewigte sich deshalb in Bauwerken. Eine entsprechende Inschrift zu Ehren des Bauherren, Stifters oder Förderers und seiner oft maßlosen Eitelkeit durfte da natürlich nicht fehlen. Von allen Fassaden schallt es gleichsam dem Betrachter entgegen, hier baute Paul, dort Urban, Clemens, Alexander, Innozenz, Leo und wie sie alle heißen, zur Identifizierung immer mit der lateinischen Zählung. Manchmal übersteigt in dieser Parade der Eitelkeit die Größe des Textes sogar das eigentliche Gebäude. Man muß nur auf den Gianicolo zur weit sichtbaren Fontana dell’Acqua Paola hinaufsteigen. Auf der riesigen Schauwand rühmt sich Papst Paul V. als Vollender des Bauwerks, der eigentliche Brunnen darunter scheint nur Beigabe, eine Art Sockel für die Inschrift, die ein Drittel der ganzen Fassade wie eine gigantische Reklametafel einnimmt. Doch in den meisten Fällen geht es bescheidener zu. Inschriften findet man nicht nur an Bauten des Barocks, sondern auch an antiken Gebäuden, die ein Papst restaurieren ließ. Über dem Eingang zum Kolosseum erinnert z. B. eine Inschrift an die Arbeiten, die Papst Pius V. zum Erhalt des Bauwerks durchführen ließ. Derartiges wird heute nicht mehr von den Päpsten bezahlt, potente Sponsoren machen mit ihrem Einsatz für die Monumente Eigenwerbung. Das Transparent der Banca di Roma am Kolosseum übertrifft die kleine Inschrift des Papstes um ein Vielfaches.

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Inschrift an der Lateransbasilika:
„Mutter und Haupt aller Kirchen
der Stadt und des Erdkreises“
Foto: Gilbart HOffmann

Selbst wenn man auf Inschriften oder Namen verzichtete, das Wappen des Papstes durfte auf keinen Fall fehlen. Bestimmte Wappen von besonders baufreudigen Päpsten springen bei einem Spaziergang durch die Stadt einem immer wieder ins Auge, mühelos läßt sich bei deren Kenntnis die Baugeschichte rekonstruieren. Bienen im Wappen weisen z. B. auf Papst Urban VIII. aus der Familie Barberini hin, den Förderer von Gian Lorenzo Bernini. Kugeln stehen für einen Medici-Papst. Ein Adler in Verbindung mit einem Drachen steht für einen Papst aus dem Geschlecht der Borghese, eine Taube mit einem Zweig steht für Innozenz X., den Papst aus der Familie der Pamphilj. Wie ein Siegel oder Logo wurde mit einem Wappen alles gekennzeichnet, was man errichtet oder auch nur vollendet hat, ohne in manchen Fällen sonderlich viel dafür getan zu haben.

Zahllos sind die Inschriften und Gedenktafeln, die auf berühmte Besucher der Stadt hinweisen. In Stadtvierteln wie dem um die Spanische Treppe (besonders in der Via Sistina und Via Gregoriana) häufen sich diese Tafeln, man muß nur die Augen offen halten, um die Wohnungen oder Sterbestätten von Persönlichkeiten aus aller Welt auszumachen.

S.P.Q.R.

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S.P.Q.R. auf einem Kanaldeckel

Ein Buchstabenzug, der einem wirklich überall begegnet, den man sogar mit Füßen tritt, ist das altehrwürdige Kürzel SPQR.

Jeder Kanaldeckel trägt dieses Signet, die Fahrzeuge der Müllabfuhr, die Stadtbusse, jede Anschlagtafel, die Trinkbrunnen und natürlich das Stadtwappen. Eine frühe Form von Firmenlogo, Staatswappen und Corporate Identity in einem, eine moderne Werbeagentur hätte kein prägnanteres und kürzeres Symbol für alles, was mit Rom zu tun hat, schaffen können.

Hinter diesen vier Buchstaben verbirgt sich die antike Formel „Senatus Populusque Romanus“, zu deutsch „Der Senat und das Volk von Rom“. SPQR war das Hoheitszeichen des antiken Staates so wie heute der Bundesadler oder die Nationalflagge. Wo SPQR zu lesen war, machte Rom seine Ansprüche geltend, auch in der fernsten Provinz. Erstaunlich ist, daß dieses Zeichen den Untergang des Römischen Reiches unbeschadet überstand und durch alle Zeiten hindurch verwendet wurde. Es zeugt von der Kontinuität des antiken Gedankengutes, nach der sich die heutige Stadtverwaltung als Erbe des römischen Senats sieht. Die Abkürzung reizte Spötter zu anderen Deutungen der vier Buchstaben, nicht immer sehr anständige: So wurde es mit „Sono Pazzi Questi Romani“ erklärt, auf deutsch „Die sind verrückt, die Römer“. Eine ironische Deutung stammt vom römischen Mundartdichter G. G. Belli: „Solo Preti Qui Regnano“, auf deutsch: „Hier regieren nur Priester“.

zum zweiten Teil

(Text Copyright © 2000 Peter Gayer)

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